Benolpe um 1875
"Benolpe - Geschichte einer Schulgemeinde" von Burkhard Lütticke
Benolpe um 1875 (eine Beschreibung)
Auf Wunsch des Lehrers Wibbeke hat Rektor Wilhelm Dornseifer aus Fröndenberg am 12.09.1934 als Nachtrag zur Schulchronik eine Beschreibung der Ortschaft Benolpe um etwa 1875 gegeben. (Wilhelm Dornseifer wurde am 28.05.1868 in Benolpe als Sohn des Benolper Lehrers Johannes Dornseifer geboren. Er war von 1889 bis 1904 Lehrer in Benolpe.)
Um sich die Örtlichkeiten besser vor Augen führen zu können, ist am Ende dieses Abschnitts eine Karteausschnitt dargestellt, die Benolpe im Jahr 1877 darstellt.
Wilhelm Dornseifer schreibt:
"Mein Geburtsort Benolpe, in dem ich am 28. Mai 1868 das Licht der Welt erblickte, zeigt heute ein anderes Bild, als es vor nunmehr 60 Jahren der Fall war. Damals lag das Dorf wie in einem schönen Laubwald versteckt, aus dem nur einzelne von Obstbäumen umstandene weißgetünchte und mit Stroh gedeckte Wohnhäuser freundlich hervorragten. So bot das Dörfchen, zu beiden Seiten des Rosebaches gelegen, vom sogenannten 'Köpfchen' (Höhe zwischen Benolpe u. Belmicke) gesehen, einen recht lieblichen Anblick. Vom 'Köpfchen' aus dehnte sich nach links ein großer Tannenbestand bis zum jetzigen Sportplatz aus, vom Volksmund 'Tannenflor' genannt. Hieran schloß bis dicht an den Weg nach Benolpe ein schöner Buschwald, der sich bis zum Hause des Fuhrmanns Johann Peter Stamm (jetzt Heinrich Stamm) (Strauteshaus genannt) hinzog und nur durch den nach Feldmannshof-Gipperich führenden Fahrweg unterbrochen wurde. Der weitere Abhang des Windhagens war fast bis zur Wirtschaft Stamm mit sehr alten Buchen bepflanzt, die in früheren Jahrzehnten bis zur Höhe von 2½ m bis 3 m abgestutzt waren, infolge dessen zahlreiche Höhlungen aufwiesen, in denen Stare, Hohltauben u. anderer Vögel reichlich Niststätten fanden. In diesem Buchenbestand befand sich nahe über den Häusern Theodor Frohne (jetzt Josef Stamm) und Heinrich Hesse ein runder schön zubereiteter Platz von etwa 8 bis 10 m Durchmesser, wahrscheinlich ein früherer 'Köhlerplatz' zur Herstellung von Holzkohle benutzt, der ein Lieblingsplatz der Dorfjugend war. Im Halbkreis war er von mehreren Ter(r)assen umgeben; an heißen Sommertagen zog mein verstorbener Vater mit seiner Schulklasse aus der engen, niedrigen, dumpfen Schulstube heraus, um auf diesem Platze unter schattigen Buchen den Unterricht zu erteilen, eine besondere Freude für die Schuljugend. Dieser Brauch flachte ab, nachdem im Jahre 1881 die neuerbaute Schule am Ausgang des Dorfes nach Drolshagen bezogen wurde. Die Erinnerung an die dort erlebten schönen Schulstunden veranlaßte mich bei meiner späteren Tätigkeit als Nachfolger meines Vaters in den Jahren 1889 bis 1904 noch des öfteren, diesen idillischen Platz an heißen Tagen mit meiner Schulklasse aufzusuchen und hier 'Waldschule' zu halten, was in späterer Zeit häufiger in größeren Gemeinden für die Sommerzeit eingeführt wurde.
Ein ähnlicher Bestand abgestutzter Buchen dehnte sich auch an der entgegengesetzten Seite des Dorfes, am Abhang des 'Husnackens' von Rahrbachs, jetzt Schneiders Wohnhaus bis über Hardenacken (Frohnen ...) Hofplatz aus; an der Grenze des Bestandes stand ein altes Backhaus, das die Dorfbewohner zum Brotbacken benutzten u. dem Heinrich Josef Engel (Stammes Hinzsep) gehörte. Für die Benutzung des Backofens mußte jedesmal ein kleines Brot an Familie Engel abgegeben werden. In dem Backofen wurde auch Hafer zur Zubereitung von Hafermehl oder Hafergrütze gedörrt, ebenso Birnenschnitzel, Apfelschnitzel und Zwetschen. Über Adam Kamps Haus, oberhalb der alten Schule und Anton Heides Haus am Weg nach Neuenothe befand sich je ein kleiner Eichenbestand. Unterhalb Kamps Haus etwa 15 m von der alten Schule entfernt, streckten sich 2 mächtige Tannen empor, von denen die größte am 28. Mai 1877 durch Blitzschlag vollständig zersplittert wurde. Wohl infolge der durchgeführten Separation ist der größte Baumbestand verschwunden, so daß der Anblick des Dorfes aus der Ferne an idillischer Schönheit verloren hat.
Leider entsprach das Innere des Dorfes nicht dem äußeren Eindruck. Die Dorfstraße befand sich stets in einem holprigen Zustand, daß Flußbett des Baches war mit Steinen und Unrat angefüllt, keine Brücke überquerte den Bach. Besonders schmutzig und schlammig war der Weg unterhalb Engels Haus, das(der) nach Gelslingen führt, (und)bei Regenwetter bis zum letzten Hause kaum passierbar (war). Vor und neben den Häusern lagen große nicht eingefriedigte Misthaufen ohne Jauchegruben. Die Jauche floß bei Regenwetter über die Dorfstraße zum Nutzen der unterhalb des Dorfes liegenden Wiesen. Die Besitzer Quiter und Engel hatten dadurch große Vorteile. Der Weg nach Drolshagen war derart eng, daß sich gegenüberkommende Fuhrwerke nur an einigen Stellen ausweichen konnten und die ausgefahrenen Gleise so tief, daß die Wagenachsen zuweilen über den Boden schleiften. Daher konnten die... zur ... nicht mit einem ... befördert werden, sie wurden auf einem zweirädrigen Karren befördert. Erst im Jahr 1880? wurde der Weg als Straße ausgebaut, mit Packlage und Kleinschlag versehen und gewalzt. Der Ausbau des Weges wurde dem Unternehmer (Name nicht genannt) aus Niederschelden übertragen. Außer den Familien Heinrich Josef Engel und Johann Josef Quiter lebten die damaligen Bewohner des Dorfes in dürftigen Verhältnissen. Erst nach dem glorreichen Kriege 1870/71 trat eine langsame aber stete Besserung der Wohn- und Lebensverhältnisse ein. Die an Einfachheit und Sparsamkeit gewöhnten Einwohner zeigten auch freudig und fleißige Arbeitsamkeit. Da aber in der Gemeinde eine lohnende Beschäftigung nicht zu finden war, zogen die arbeitsfähigen Männer und heranwachsenden Söhne in die Fremde, um vornehmlich als Maurer und Handlanger sich zu betätigen. Meistens wanderten sie um die Mitte der Fastenzeit in die Gegend von Lenne und Hückeswagen unter Führung eines Poliers aus Benolpe und übernahmen dort die Ausführung von Bauten im Akkord, arbeiteten dann vom frühen Morgen bis zum späten Abend, da eine Beschränkung der Arbeitszeit damals nicht in Frage kam. So erzielten sie dann durch ihren Fleiß einen verhältnismäßig großen Verdienst. Die Bewirtschaftung der Ländereien und die Versorgung des Viehes überließen sie im Sommer den Frauen und schulpflichtigen Kindern. Die erwachsenen Töchter fanden Beschäftigung in Bergneustadt auf Textilfabriken. Den weiten Weg zur Arbeitsstätte legten sie meistens täglich zu Fuß zurück. Die in der Fremde arbeitenden Männer kehrten regelmäßig zum Annafest zurück und brachten das bis dahin verdiente Geld dann mit. Daher konnte das Fest dann auch in Freude u. Glück begangen werden. Nach dem Feste reisten die Heimgekehrten zurück und blieben dort bis zum Spätherbst. Der auf diese Weise herbeigebrachte Verdienst verscheuchte nach u. nach die Armut, die Anschaffung von Kunstdünger wurde ermöglicht, die dadurch ermöglichte Verfassung der Äcker u. Wiesen bedingte eine Vermehrung des Viehbestandes und so hob sich der Wohlstand mehr u. mehr. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Rindvieh im Sommer durch einen Dorfhirten in die Hauberge u. auf die Blößen der Gemeinde getrieben u. dort geweidet. Eingefriedete Viehweiden kannte man hierorts nicht. Die größeren Grundbesitzer allerdings ließen ihr Milchvieh wohl durch schulpflichtige Kinder vor und nach dem Unterricht auf brachliegenden Feldern oder auf den abgeernteten Wiesen u. Felder treiben u. erzielten so noch mäßige Milcherträge. Von dem in die Hauberge getriebenen Vieh konnte ein Ertrag kaum erwartet werden. Infolgedessen war das Vieh auch durchgehend klein u. mager. Die erzeugte Butter u. die Eiererträge wurden meistens gegen Brot, Rübenkraut u. Rindertalg -Ungel genannt- eingetauscht. Kinder erhielten in den seltensten Fällen Butteraufstrich auf das Brot, meistens nur Rübenkraut oder Quarkkäse."
Quellenhinweis:
StaD: Sammlung Schulen 112
Situations- und Nivellementsplan über den Bau eines Communal-Weges von der Grenze der Gemeinde Drolshagen bis Benolpe (von August 1877)
Quellenhinweis: StaD: Karten und Pläne 42